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Deutschland als Pharma-Innovationsstandort fällt im internationalen Wettbewerb zurück – Trendumkehr erfordert Bekenntnis zur Schlüsselindustrie und konzertiertes Handeln für messbaren Nutzen für Patient:innen!

Der internationale Standortwettbewerb um Investitionen in pharmazeutische Forschung und Entwicklung hat – angeheizt durch die Covid- Pandemie und geopolitische Rahmenbedingungen – enorm angezogen. Pharmazeutische Unternehmen befinden sich in einem intensivierten „Wettrennen“ um die Marktzulassung innovativer Therapien. Sie evaluieren standortpolitische Rahmenbedingungen deshalb kritischer als je zuvor, um ihre Investitionsund Ressourcenallokation zu optimieren.

Deutschland ist für diesen Wettbewerb eigentlich gut aufgestellt, verliert jedoch seit einigen Jahren dramatisch an Boden – sowohl weltweit als auch im europäischen Vergleich. Wie ernst die Lage ist, zeigt auch das Stimmungsbild unter F&E-verantwortlichen Führungskräften: Etwa zwei Drittel bestätigen, dass Deutschland in den nächsten fünf Jahren für ihre Unternehmen deutlich an Relevanz verlieren könnte. Die durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) und das EU Pharma-Paket verschärften Regelungen zu Marktzugang, Preisfindung, Schutz des geistigen Eigentums und Kostenerstattung sowie eine nachlassende Attraktivität der Forschungsrahmenbedingungen in Deutschland ergeben dabei eine unheilvolle Kombination.

Wird jetzt nicht entschieden gehandelt, droht bis 2030 der Verlust des frühen Zugangs zu innovativen, noch nicht zugelassenen Therapieoptionen für bis zu 40 Prozent der heute an klinischen Arzneimittelstudien teilnehmenden Patient:innen. Eine Trendumkehr kann dabei positiven Einfluss auf die allgemeine Gesundheitsversorgung haben: Die mitwirkenden Fachkräfte in Kliniken und Arztpraxen machen sich durch klinische Forschung schon heute mit der Medizin von morgen vertraut. Patient:innen erhalten durch sie zusätzliche Chancen auf wirksame Behandlung und beste Betreuung. Und Unternehmen können neue Medikamente schneller zur Zulassung bringen. Daher liegt es im Interesse aller, den Pharma-Innovationsstandort Deutschland wieder stark zu machen.

Sieben Handlungsempfehlungen zur Stärkung des Innovationsstandortes

Wie das gelingen kann, zeigt die vorliegende Studie von Kearney und dem vfa anhand von drei wesentlichen Handlungsfeldern: Die Stärkung des Innovationsstandorts kann gelingen, wenn Forschung wieder in konkurrenzfähigem Tempo durchgeführt werden kann, Unternehmen besseren Zugang zu medizinischen Forschungs- und Patientendaten erhalten und das Ökosystem für Translation von Grundlagenerkenntnissen in Präventions- und Therapieoptionen gestärkt wird.

Entlang dieser drei Handlungsfelder formuliert die Studie sieben Handlungsempfehlungen, die angegangen werden sollten, um den Innovationsstandort Deutschland zu stärken:

  1. Bürokratie bei Studiengenehmigungen systematisch abbauen
  2. Vertragsgestaltung zwischen medizinischen Einrichtungen und Studiensponsoren vereinfachen
  3. Studiendurchführung durch mehr Fachkräfte und verbesserte Patient:innenrekrutierung beschleunigen
  4. Internationalen Beitrag zur Erfassung von medizinischen Forschungsdaten leisten
  5. Datenzugang für industrielle Forschung ermöglichen und vereinfachen
  6. Exzellenz in der Wissenschaft fördern
  7. Netzwerkbildung und Translationsfokus stärken

Zu viel Bürokratie, zu lange Prozesse

Insbesondere beim Tempo, mit dem klinische Forschung in Deutschland genehmigt und durchgeführt werden kann, besteht deutlicher Verbesserungsbedarf (Handlungsempfehlungen 1-3). Zu den wichtigsten Herausforderungen in diesem Gebiet gehören inkonsistente und überbürokratisierte Genehmigungsverfahren sowie aufwändige Vertragsgestaltung zwischen Kliniken bzw. Arztpraxen (Studienzentren) und den Pharma-Unternehmen, welche Arzneimittel-Studien durchführen möchten. Dies führt häufig zu einer überlangen Zeitspanne bis erste Studienteilnehmer:innen tatsächlich einbezogen werden können.

Angesichts des intensiven Wettbewerbs um die erste Zulassung von Medikamenten einer neuen Klasse ("first in class"-Medikamente) für große Märkte (z.B. USA, EU) können sich Unternehmen einen verzögerten Abschluss ihrer klinischen Forschungsvorhaben nicht leisten. Und für junge Unternehmen, die gerade ihr erstes Produkt entwickeln, können Verzögerungen im Studienprogramm sogar existenzgefährdend sein.

Deutschland riskiert somit als Land für Studienmitwirkung an Bedeutung für global agierende Pharmaunternehmen zu verlieren - bei international kompetitiver Studienrekrutierung gehen Patient:innen und Zentren in Deutschland mittlerweile häufig leer aus. Mit Blick auf zunehmend unattraktivere Marktbedingungen ist zu befürchten, dass Deutschland bei der Studienvergabe künftig gar nicht mehr berücksichtigt wird, da internationale Firmen nur dort Studien platzieren, wo Produkte auch garantiert eingeführt werden - eine fatale Abwärtsspirale.

Andere Länder machen es vor

Wie Deutschland als Pharma-Innovationsstandort wieder attraktiver werden kann, zeigen andere Länder: Frankreich und Spanien haben durch gezielte Maßnahmen – etwa mit Blick auf Vertragsverhandlungen oder Vor-Ort-Ressourcen – erfolgreich die Bedingungen für klinische Forschung verbessert. Andere Länder, zum Beispiel Dänemark, ermöglichen innovative Studienmodelle und motivieren Patient:innen zur Teilnahme an Studien. Viele weitere Beispiele zeigen, dass Länder weltweit die Schaffung attraktiver Forschungsbedingungen als Chance für sich erkannt haben. Hiervon sollte Deutschland lernen.

Nur zusammen kann es gehen

Entlang der sieben Handlungsempfehlungen identifiziert die Studie 22 Einzelmaßnahmen. Oftmals wurden diese in der Vergangenheit als kleinteilige Einzelinterventionen diskutiert, deren positiver Einfluss für sich genommen nicht immer den Veränderungsaufwand zu rechtfertigen schien. Um die Standortbedingungen nachhaltig zu verbessern, braucht es daher eine Einbettung priorisierter Einzelmaßnahmen in einen umfassenden und verbindlichen Fahrplan mit breiter Unterstützung aller Interessengruppen. Dieser sollte klarstellen, wo sich Deutschland im internationalen Wettbewerb als Pharma-Innovationsstandort positionieren will.

Die Studie schlägt daher u. a. einen Roundtable „Pharma-Innovationsstandort Deutschland“ unter Koordination des Bundeskanzleramtes oder des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) vor. Dieses Gremium sollte gemeinschaftlich im Dialog mit den relevanten Interessengruppen Ambition, Strategie und einen konkreten Umsetzungsfahrplan für den Pharma-Innovationsstandort definieren und vorantreiben. Es sollte im regelmäßigen Austausch bleiben und konsequent kontrollieren, ob die Maßnahmen umgesetzt und gesteckte Ambitionen erreicht werden. Dies folgt dem Beispiel Spaniens, wo ein solches Vorgehen bereits erfolgreich umgesetzt wurde – und Spanien zum klinischen Forschungsstandort Nummer 1 in der EU hat werden lassen.