Von Martin Eisenhut
Kommentiert von Madeleine Hofmann

11.000 Liter. So viel Wasser wird benötigt, um auf konventionelle Weise ein Kilogramm Baumwolle anzubauen – aus dem dann maximal 10 T-Shirts entstehen können.

7,9 Milliarden. So viele Menschen leben aktuell auf der Welt – im Jahr 2030 werden es weitere 600 Millionen Menschen sein.

Zusammengebracht ergeben diese Zahlen Folgendes: Ginge man davon aus, dass jeder Mensch im Jahr 2030 ein einziges T-Shirt kaufen würde, ergäbe das einen Wasserverbrauch, der so aussieht: 9.350.000.000.000 Liter. 9,35 Billionen Liter nur für T-Shirts. Und hier reden wir nur vom Rohstoff, nicht von den Emissionen, die durch die Herstellung des fertigen Produkts entstehen. (Mal abgesehen davon, dass ein T-Shirt nicht reicht, um angezogen zu sein.)

Jetzt noch diese Zahlen: Seit 1995 ist der weltweite C02-Ausstoß von 23,4 Milliarden Tonnen auf 34,8 im Jahr 2020 gestiegen, bis 2050 werden insgesamt 43,1 Milliarden Tonnen erwartet.

Und schon sind wir mittendrin im Thema: Die Industrie (nicht nur die T-Shirt herstellende) steht vor einer gewaltigen Aufgabe: Sie muss nicht nur Maßnahmen ergreifen, die die Emissionen von heute senken. Sie muss vor allem Maßnahmen entwickeln, die zusätzlich die Bevölkerungsentwicklung kompensieren, um hinter den Stand von 2022 zurückzufallen. Und der ist in Sachen Umweltbilanz schon besorgniserregend genug.

Diese Erkenntnis beginnt sich zum Glück allmählich durchzusetzen, sowohl bei den Konsumenten, als auch in der Industrie: In einer Kearney-Umfrage zur Dekarbonisierung etwa gingen 90 Prozent der teilnehmenden Betriebe davon aus, dass die Konsequenzen des Klimawandels wichtig oder sehr wichtig für ihr Geschäft sind. Nur: Erkenntnis ist nicht genug, es muss auch gehandelt werden. Daran aber hapert es noch.

"Auch wichtig: Erkennt-nis der Industrie, dass sie Treiber des Klima-wandels ist & es sich bei ebendiesem nicht um ein Geschäftsmodell handelt."

In der Alltagspraxis haben laut Umweltbundesamt Nachhaltigkeitsaspekte erst ansatzweise Eingang gefunden. Konkret zeigt dies auch eine Studie des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. Ihr zufolge verfügt momentan weniger als die Hälfte der befragten Unternehmen über eine eigene Organisationseinheit für Nachhaltigkeit. Häufig wird Nachhaltigkeit noch stiefmütterlich als Projekt in den Logistik- oder Einkaufsabteilungen verortet.

"Vielleicht, weil ihnen schon die Bezeichnung Angst macht. Lieber Nachhaltigkeit in alle Bereiche integrieren?"

Dazu kommt: Gut gemeint ist nicht automatisch gut gemacht. Viele Unternehmen, die sich ernsthaft mit ihrer Klimabilanz beschäftigten und etwas tun wollen, begehen oft einen Fehler: Sie betrachten nur sich selbst, wenn es um das Erreichen von Klimaneutralität geht. Das greift aber zu kurz.

Grundsätzlich unterscheidet man bei Emissionsquellen drei so genannte Scopes. Scope 1 bezieht sich auf direkte CO2-Emissionen aus unternehmenseigenen Quellen, das sind solche, die Tag für Tag in Büros oder eigenen Produktionsstätten sowie durch firmeneigene Fahrzeuge entstehen. Nur diese zu reduzieren, bringt leider wenig – weil es weitere, weitaus höhere Emissionen gibt. Zunächst kommen Scope 2-Emissionen hinzu, indirekte Emissionen, die unter anderem durch den Einkauf von Elektrizität entstehen. Am relevantesten sind Scope 3-Emissionen. Nur sie schließen indirekte CO2-Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ein. Dazu zählen Emissionen aus Quellen, die das Unternehmen nicht kontrollieren kann, weil dazu die umweltschädlichen Prozesse von Lieferanten einerseits und das Handeln der Konsumentinnen und Konsumenten andererseits zählen.

"Oder nicht WILL?"

Leider machen diese Emissionen, die man in vorgelagerte und nachgelagerte Scope 3-Emissionen unterteilt, 70 bis 90 Prozent des CO2-Fußabdrucks eines Unternehmens aus. Anders formuliert: Die Klimaneutralität eines Unternehmens sagt wenig über die Klimaneutralität des Produkts aus. Da Scope 3-Emissionen aber außerhalb der Unternehmenskontrolle liegen, fühlen sich Unternehmen häufig nicht für diese Emissionen verantwortlich. Ein Fehler.

"Wirklich?"

Gut lässt sich das an einem Industriezweig aufzeigen, der für Produkte steht, die einerseits massiven Einfluss auf die Umwelt haben. Und der Produkte herstellt, die tatsächlich weltweit genutzt werden – egal wie hochentwickelt die Wirtschaft des Landes ist: die Bekleidungsindustrie. Denn anziehen muss sich logischerweise jeder.

Die Bekleidungsindustrie hat aus Konsumentinnen- und Konsumentensicht erstmal ein fröhlich-buntes Lifestyle-Image.

"Bis sie in der Mall mit der grellen, frischluftarmen Realität konfrontiert werden."

Im Hinblick auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit ist dies allerdings nicht der Fall: Allein 11 Prozent des in der Industrie verwendeten Frischwassers geht auf Kosten der Modeindustrie. Sie produziert je nach Quelle zwischen 1,2 bis 1,7 Milliarden Tonnen Kohlendioxid-Emissionen jährlich. Das sind mehr als die von Luftfahrt und Schifffahrt zusammen und immerhin drei bis fünf Prozent der weltweiten CO2-Emissionen überhaupt.

"Die können allerdings noch mit anderen schmutzigen Eigenschaften glänzen."

Hinzu kommen Öl und giftige Chemikalien, die bei der Herstellung von Bekleidung anfallen. Kein Wunder, dass die Vereinten Nationen die Modeindustrie zu den größten Umweltsündern zählt.

"Neben vielen weiteren Industrien wie Zement, Chemie, Automobil, Stahl..."

Die Industrie hat zwar in den vergangenen Jahren mit der Global Fashion Agenda, der Better Cotton Initiative oder Fashion for Good bereits erste Initiativen ergriffen. Und Marken von Adidas bis Zegna konnten signifikant ihre Emissionen senken. Das Problem ist aber auch hier das erwähnte Bevölkerungswachstum. Aufgrund des steigenden Konsums konnten die Maßnahmen den Verschmutzungsanstieg zwar bremsen, aber nicht umkehren. Erhöht die Modeindustrie ihre Anstrengungen nicht, steigen ihre CO2-Emissionen nach Kearney-Schätzungen daher bis 2030 um 60 Prozent an.

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