In vielen Berufszweigen sind die Tage der Schornstein-Karrieren gezählt, in denen Mitarbeitende sich in einem Bereich spezialisierten und dann vertikal aufstiegen. Wie würden Sie für CFO-Posten typische Karrierepfade beschreiben?

Goeldel: Schornstein-Karrieren sind auch im CFO-Bereich oft nicht besonders erfolgreich. Das liegt vor allem daran, dass CFO-Positionen heute so breit angelegt sind. Daher wird es für die eigene berufliche Entwicklung notwendig, unterschiedliche Bereiche zu sehen und auch einmal in operativen Funktionen, wie z. B. Vertrieb oder Operations, tätig gewesen zu sein.

Welches Handwerkszeug muss der CFO insofern mitbringen?

Die Kenntnis der grundlegenden kaufmännischen Funktionen ist natürlich unabdingbar. Controlling, Rechnungswesen und Finanzierung gehören zum Handwerkszeug eines Finanzvorstands. Darüber hinaus sind aber heute – in Zeiten, in denen Veränderung zum Status quo gehört – weitere Fähigkeiten gefragt, vor allem hinsichtlich der Führungsrolle eines CFOs und seiner Kommunikation. Schafft es ein CFO, seine Teammitglieder einzubinden und emotional zu erreichen? Gelingt es, Teams zu formen, die eigenständig arbeiten und sich weiterentwickeln? Das ist vor dem Hintergrund, dass viele Organisationen über verschiedene Länder aufgestellt sind, und angesichts der Notwendigkeit, ein sehr viel breiteres Stakeholder-Management leisten zu müssen, gar nicht so einfach. Am Ende soll nicht nur der CFO Veränderung voranbringen und Sparringspartner sein, sondern auch die Finanzmanager in ihren jeweiligen Einheiten.

Wir bewegen uns gesamtwirtschaftlich und geopolitisch betrachtet in bewegten Zeiten. Nach zwei Jahren Pandemie erleben wir mit dem Ukraine-Krieg den ersten großen Konflikt in Europa seit den 1990er Jahren. Damit gehen Themen wie Lieferengpässe, ein deutlicher Preisdruck oder auch die Sorge um eine sich anbahnende Rezession einher – vor welche Herausforderungen stellt das CFOs?

Ich sehe viele CFOs, die viel mehr als früher in Szenarien denken und überlegen, welche Reaktionsmöglichkeiten dann wichtig sind. Niemand weiß, wie sich die Dinge in den kommenden Monaten entwickeln. CFOs sind aber nicht nur mit geopolitischen Risiken konfrontiert, sondern auch mit Veränderungen aus dem Bereich der Regulierung, die auf das Geschäft einwirken und auf die die Unternehmen gut vorbereitet sein müssen. Beides führt dazu, dass die strategische Kompetenz der CFOs immer mehr gefragt ist.

Sie meinen sicher auch die Anforderungen der Regulierer zu Nachhaltigkeitsthemen. Viele Unternehmen orientieren sich in dieser Hinsicht an den Sustainable Development Goals der United Nations, die man als Handlungsempfehlung deuten könnte. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für einen Finanzvorstand?

Das hat mehrere Ebenen. Es beginnt mit dem ESG-Reporting, mit dem Transparenz über den Status quo hergestellt wird. Auf dieser Basis haben CFOs zudem eine gestalterische Aufgabe und sind gefordert, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie sich Geschäftsmodelle verändern müssen. Für CFOs ist außerdem wichtig zu verstehen, wie die Finanzmärkte ihr Unternehmen unter ESG-Gesichtspunkten bewerten. ESG-Kriterien haben schon heute das Verhalten der Investoren deutlich verändert, und die Aufgabe des CFOs ist es, das ins Unternehmen hineinzutragen.

Wie Unternehmen zukünftig bewertet werden, hat auch mit Verfügbarkeit und Aufbereitung von Daten zu tun. Insofern ragen spätestens hier auch die IT-Kenntnisse eines CFOs mit hinein…

Ja, auch IT-Fähigkeiten sind immens wichtig geworden, allein weil viele Arbeitsfelder im kaufmännischen Bereich automatisiert werden. Zu verstehen, was wichtig und sinnvoll ist und wie welche Themen voranzutreiben sind, das ist eine zentrale Aufgabe des CFOs. Über die Automatisierung im eigenen Bereich hinaus geht es aber auch darum zu sehen, welche Chancen die Digitalisierung für das Unternehmen insgesamt bietet und welche Geschäftsmöglichkeiten sich daraus ergeben.

Wie positioniert sich vor diesem Hintergrund der CFO im Zusammenspiel mit dem CEO gegenüber dem COO?

Es gibt viele CFOs, die zum Mitunternehmer bzw. Co-CEO werden und das Geschäft mit vorantreiben. Einige entwickeln sich dann auch zum CEO. Daraus kann man aber keinen Standard ableiten. Es gibt auch CFOs, die in Richtung COO avancieren oder sich in ihrer CFO-Rolle voll verwirklichen. Dadurch, dass die Rolle des CFO grundsätzlich strategischer und auch deutlich businessorientierter geworden ist, ergeben sich für den CFO breitere Entwicklungsmöglichkeiten.

Welche Rolle spielt er in der Transformation eines Unternehmens?

Die Transformation eines Unternehmens kann nur funktionieren, wenn alle Führungskräfte ihren Beitrag leisten. Ich glaube, dass der CFO mit seiner Durchdringung der kaufmännischen Themen und der Kapitalmarktperspektive in der Transformation eine wichtige Rolle spielt. Zudem ist er beim Vorantreiben und Nachhalten der einzelnen Transformationsschritte und der Kommunikation mit den Stakeholdern von besonderer Bedeutung.

Dieser Tage werden viele verschiedene Ansätze diskutiert, wie Transformation funktionieren kann. Allein zum Beispiel, ob das Management top-down entscheidet oder bottom-up. Inwieweit sehen Sie den CFO auch hier gefordert, mitzugestalten, welcher Ansatz für das eigene Unternehmen funktioniert?

Jede Situation ist spezifisch, und deswegen spielt bei vielen Suchen nach Kandidaten die Frage eine große Rolle, inwieweit sie unterschiedliche Unternehmensphasen kennengelernt haben. Ob jemand zum Beispiel erlebt hat, was eine Restrukturierung oder eine Wachstumsphase erfolgreich macht. Zu wissen, „what good looks like“, ist eine wichtige Fähigkeit, um in der spezifischen Situation richtig entscheiden zu können. Lernzeiträume sind heute sehr begrenzt; vielfach müssen Entscheidungen sehr kurzfristig getroffen und umgesetzt werden.

Auf welche Kriterien achten Personalberater insbesondere bei CFO-Kandidaten?

Alle Kriterien, über die wir gesprochen haben, die fachlichen und die persönlichen, sind in CFO-Suchen relevant. Meistens decken Kandidaten aber nicht unmittelbar alle Kriterien ab, die ein CFO in einer spezifischen Situation erfüllen sollte. Insofern spielen das Potenzial und die Entwicklungsfähigkeit von Kandidaten eine große Rolle, und es ist wichtig, ein intensives Onboarding vorzunehmen, damit die Übernahme einer neuen CFO-Position gut gelingt.

Es wird viel über den „War for Talents“ gesprochen. Wie stellt sich das in Ihrem Bereich dar?

Den War for Talents gibt es auch im CFO-Bereich, und er nimmt eher noch zu. Insofern gilt es, in jeder Suche mit einem breiten Ansatz vorzugehen und unterschiedliche Suchfelder abzudecken. Dazu gehören internationale Kandidaten, solche, die heute noch keine Letztverantwortung als CFO haben, und auch Manager in operativen Funktionen mit einer kaufmännischen Vergangenheit. Die andere Möglichkeit ist, Unternehmen noch mehr in der internen Nachfolgeplanung zu unterstützen. Idealerweise identifizieren Unternehmen ihre Top-Potenziale im kaufmännischen Bereich sehr frühzeitig und investieren systematisch und über Jahre in ihre Entwicklung. Denn um intern einen CFO-Nachfolger aufzubauen mit Erfahrung in den verschiedenen kaufmännischen Funktionen, einem Wechsel in operative Funktionen und auch ins Ausland, ist eine längere Zeit erforderlich.

Welche Rolle spielt Diversity hier?

Diversity spielt auch im CFO-Bereich eine große Rolle, aber nur bestimmte Quoten zu erfüllen, greift zu kurz. Unternehmen tun gut daran, frühzeitig zu investieren und dafür zu sorgen, dass diverse Kandidaten mit Potenzial für das Unternehmen gewonnen und systematisch entwickelt werden. Dabei reicht es nicht, nur einzelne diverse Personen einzustellen, sondern es geht darum, die gesamte Employee Experience im Blick zu haben und eine inklusive Kultur im Unternehmen zu etablieren.

Wer hat das größere Potenzial: eine(r) mit vielen Soft Skills oder das Zahlengenie?

Ein guter CFO braucht beides, die fachlichen Fähigkeiten und die Soft Skills. Bei der heutigen Breite der CFO-Funktion und der Vielzahl der Anforderungen kommen Manager mit einer zu einseitigen Ausprägung schnell an ihre Grenzen.